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Sechs Monate mit der Leica M – Eine Liebeserklärung

Nachdem ich die Leica M nun 6 Monate mein Eigen nenne, wird es Zeit für einen kleinen Bericht (wie immer sehr subjektiv und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebend). Seit Anfang Oktober fotografiere ich nun „nur“ noch mit der M (liebevoll „Luigi“ genannt) und zwei Objektiven: dem Summicron 35 mm 2.0 ASPH und dem Summilux 50 mm 1.4 ASPH. Mit der Kamera habe ich inzwischen über 2.500 Bilder gemacht. Die (nach meiner Meinung) relativ geringe Anzahl an Auslösungen ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass durch die M eine deutliche „Entschleunigung“ der eigenen Fotografie stattfand und zum anderen eine relativ stressige berufliche Zeit hinter mir liegt. 2.500 Bilder sind aber ausreichend, um die Fähigkeiten der Kamera einschätzen und vergleichen zu können und die Veränderungen am eigenen Stil festzumachen.

Entschleuningung pur: Summicron 35 mm ASPH @ 1.4

Entschleunigung pur: Leica M und Summicron 35 mm ASPH @ 2.0

Beginnen wir mit den technischen Dingen. Viel habe ich ja bereits in meinem ersten Bericht vorweggenommen – die Leica M ist (und bleibt wohl auch) für mich die ideale Kamera. Klein, kompakt und mit einer unglaublichen Bildqualität gesegnet.  Die Bedienung war für mich im übrigen von Anfang an schlüssig und ich hatte kaum Schwierigkeiten bei der Umstellung – lediglich den Wiedergabeknopf (Play) suchte ich am Anfang mehrmals an falscher Stelle. Die Kompaktheit des Systems hat dazu geführt, dass ich die Kamera nun deutlich öfter dabei habe – Wochenendausflüge, Kurzreisen, Einladungen, … Das System der Leica M führt aber auch dazu, dass man nicht einfach mal schnell ein Bild macht – die Kamera zwingt einen, sich mit dem Sujet zu befassen. Die Fokussierung des Bildes erfolgt manuell und irgendwie führt dies zwangsläufig auch dazu, dass der Ausschnitt etwas bewusster gewählt wird. Die Bilder werden mit der M nicht besser, sondern nur ein wenig „bedachter“. Dafür gibt es keine direkte Erklärung (und einige werden mir vielleicht sogar widersprechen) – für mich funktioniert es aber (ich schaue wohl einfach länger durch den Sucher). Und natürlich gilt noch immer das oft zitierte Klischee, dass man mit dieser Kamera nicht auffällt und weitgehend unbeobachtet fotografieren kann. Zudem nehmen die Menschen diese „alt aussehende“ Kamera nicht ernst – „und, noch analog unterwegs“ habe ich nicht nur einmal gehört. Dies alles trägt dazu bei, sich etwas unsichtbarer bewegen zu können, was in der Street-Fotografie unglaublich wichtig ist.

Die M zwingt einen, sich mit dem Sujet zu befassen.

Positiv fiel mir auf, dass es mit der M wesentlich leichter fällt, die Kamera horizontal/vertikal auszurichten – die Begrenzung des Suchers (in Form von hellen farblich gekennzeichneten Linien) erlaubt die perfekte Ausrichtung am Horizont oder an entsprechend vorhandenen Linien. Des Weiteren verdunkeln ND-Filter nicht den Sucher (eine Tatsache, die völlig logisch ist, ich mir aber vorher nicht wirklich bewusst gemacht habe). Vor allem sehr starke ND-Filter machen es mit einer Spiegelreflexkamera ja fast unmöglich, eine entsprechende Bildkomposition vorzunehmen – anders bei der M. Vor dem Fokussieren hatte ich am Anfang (wie wohl jeder Umsteiger) am meisten Respekt. Umso überraschender war es, dass dieser Prozess erstaunlich leicht und einfach von der Hand geht. Statische Motive sind schnell scharf gestellt, bewegte Motive benötigen etwas Übung – wenngleich die M sicher nicht geeignet ist, um Sportevents zu fotografieren (bei einem Marathon Anfang April hatte ich mir die Hände wund fokussiert). Zu beachten ist natürlich auch, dass man bei Leica nun plötzlich Objektive in der Hand hat, die es einem erlauben, mit weit geöffneter Blende zu arbeiten – die Schärfentiefe oft nur wenige Millimeter oder Zentimeter. Ein Fehlfokussieren fällt also doppelt ins Gewicht. Ein guter Tipp: die Kamera auf eine fixe Distanz fokussieren und das Objekt in die Fokuseben eintreten lassen – schon Henri Cartier-Bresson hat auf diese Weise erstaunliche Bilder zustande bekommen.

Verschlusszeit, Blenden, Ausschnitt – Klick!

Neben den technischen Dingen interessiert natürlich, ob man seine „Sehgewohnheiten“ durch ein anderes/neues Kamerasystem ändert. Ich denke, dass es keinen Unterschied macht, ob man von Canon zu Nikon wechselt oder umgekehrt. Veränderung zeigt sich aber sehr wohl, wenn man von einer Spiegelreflexkamera plötzlich auf eine Messsucherkamera wechselt. Nach über 20 Jahren mit diversen (D)SLRs kann ich mit ruhigem Gewissen sagen, dass einen nichts „näher“ an das Sujet bringt als ein Messsucher. Man blickt durch kein Objektiv – der Sucher/Ausschnitt bleibt vom Objektiv unbeeinflusst. Für mich hat die Fotografie wieder sehr viel von seiner „Natürlichkeit“ zurückgewonnen. Hatte ich in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl, mich vor allem mit der Technik rund um die Fotografie (bzw. die Kamera) zu beschäftigen, tritt nun wieder die eigentliche Fotografie in den Vordergrund. Verschlusszeit, Blenden, Ausschnitt – Klick!

Natürlich hat der Messsucher auch seine Nachteile – je größer die Brennweite, desto kleiner der Ausschnitt im Sucher. Da ich mich (derzeit) zwischen 35 mm und 50 mm bewege, ist dies kein wirklicher Nachteil – im Gegenteil. Als Brillenträger hatte ich bei meinen DSLRs immer das Problem, dass ich nicht das gesamte Sucherbild sah – bei der M ist das Sucherbild bei 50 mm deutlich größer als der auf den Sensor projizierte Teil. Selbst bei 35 mm kann man noch etwas „jenseits“ der entsprechenden Begrenzungslinien wahrnehmen.

Blumenfeld auf Korsika: Summicron 35 mm ASPH @ 1.4

Blumenfeld auf Korsika: Summicron 35 mm ASPH @ 2.0

Der Umstieg auf die Leica M brachte natürlich auch den Verzicht auf variable Brennweiten (Zoom) mit sich. Mit nur 2 Objektiven zu fotografieren kann schon als Hardcore bezeichnet werden – aber es funktioniert. Vielfach entscheide ich mich erst kurz vor einer Fotosession, ob ich nun mit dem 35er oder dem 50er losziehe. Die Einschränkung hat mir schon erstaunliche Blicke auf Dinge und Details offenbart, die mir mit einem Zoom-Objektiv wohl entgangen wären. Einschränkung ist doch immer noch am förderlichsten für die Kreativität. Bei den Objektiven habe ich mich von Anfang an in das Summilux 50 mm 1.4 ASPH verliebt – was für eine geniale Ansammlung feinster Optik- und Ingenieurskunst. Im Gegenzug hab ich lange mit dem Summicron 35 mm 2.0 ASPH gekämpft. Weniger das Objektiv als die Brennweite machten mir Probleme – kein richtiges Weitwinkel, keine Normalbrennweite. Schließlich zwang ich mich dazu, einen Tagesausflug nach Straßburg komplett mit dem 35er abzulichten – Klick! Yes! Und dann war es plötzlich da: das Verständnis für die 35 mm.

Straßburg @ 35 mm

Straßburg (Frankreich): Summicron 35 mm ASPH @ 8.0

Plötzlich verstand ich, warum so viele Leica-Fotografen nur mit dieser einen Brennweite fotografieren. Egal, ob Landschaft oder Portrait, man kann damit einfach alles machen (exemplarisch enthält dieser Beitrag nur Bilder, welche mit dem 35er gemacht wurden). Die kleinste Blende von 2.0 erlaubt das Freistellen, das Objektiv ist wesentlich weniger streulichtempfindlich als die 1.4er-Variante und zusätzlich so schön klein, dass es sich perfekt an die M fügt. Natürlich hat man Situationen, in denen man sich mehr Weitwinkel wünscht. Und so steht auf der Einkaufsliste sicher irgendwann das Leica Super-Elmar 21 mm 3.4 ASPH.

Mit nur 2 Objektiven zu fotografieren kann schon als Hardcore bezeichnet werden.

Die Bildqualität des gesamten Systems ist ausgezeichnet – da ein Vergleich mit anderen Systemen müßig ist und wenig bringt, möchte ich darauf verzichten. Die 24 MP Files erlauben die Wahl kleinerer Ausschnitte in der Nachbearbeitung, die Reserven in dunklen und hellen Bereichen können als ausreichend bezeichnet werden, um eine angemessene Aufbereitung zu machen. Hatte ich an meiner Canon EOS 1Ds III schon nichts zu beanstanden, gibt es auch an der Leica M nichts auszusetzen. Der Dynamikumfang ist im Vergleich zur 1Ds aber spürbar größer – dies macht sich vor allem beim Fotografieren mit viel Licht und Schatten bemerkbar. Pixel-Beeping überlasse ich an dieser Stelle aber anderen. Die Kamera liefert die erwarteten Ergebnisse.

Porto (Korsika)

Abendstimmung in Porto (Korsika): Summicron 35 mm ASPH @ 8.0

Noch ein paar technische Dinge im Schnelldurchlauf, die mir aufgefallen sind:

  • Die Belichtungsmessung scheint auch in schwierigen Situationen relativ robust zu sein, versagt aber bei großen (dunkel)grünen Bereichen im Bild. Wälder oder Bäume werden stark überbelichtet. Eine Erklärung lässt sich leicht finden: Grün wird vom Sensor als dunkles Grau wahrgenommen und wird daher in der Belichtung angehoben. Einen ähnlichen Effekt kenne ich von der Canon EOS 5D. Hier wird wohl mit einer späteren Firmware von Leica nachgebessert werden.
  • LiveView und Video habe ich so gut wie nie in Verwendung. Vielleicht finde ich später noch Situationen, wo diese Features zum Einsatz kommen.
  • Irgendwie schaffe ich es relativ oft, mit den Fingern auf die Vorderseite des Messsuchers zu greifen. Stört nicht wirklich, aber es bedarf dann doch ab und an einer kleinen Reinigung. Ich muss wohl meine Fingerhaltung noch etwas optimieren.
  • Absolut positiv überrascht bin ich von der Laufzeit des Akkus – irgendwie habe ich das Gefühl, ich lade das Ding praktisch nie auf. Großes Kompliment an das Energiemanagement der Kamera.

Wo stehe ich also nach 6 Monaten? Ich habe das Gefühl, angekommen zu sein – endlich eine Kamera in den Händen halten zu können, die mir technisch und emotional zusagt. Für einige mag dies zu „esoterisch“ klingen, aber anders kann ich es nicht umschreiben. Für mich war der Bezug zur Kamera schon immer sehr emotional geprägt. Ich besitze Kameras viele Jahre und bin kein schneller Systemwechsler (die Historie lässt sich hier nachlesen). Auch dem Wechsel zur Leica M ist ein fast einjähriger Entscheidungsprozess vorangegangen.

Auftanken: Summicron 35 mm ASPH @ 4.0

Auftanken: Summicron 35 mm ASPH @ 4.0

Mit Sicherheit sind die aktuellen DSLRs (z. B. Nikon D800, Canon 5D III) wesentlich flexibler und universeller einsetzbar. Mit Sicherheit produziert man mit diesen Kameras in der gleichen Zeit sehr viel mehr Bilder als mit einer Leica M. Aber mit Sicherheit ist keine der aktuellen DSLRs eine so individuelle Kamera, mit der sich die Fotografie so genießen lässt – das Fokussieren, das Wählen des Ausschnittes, das Betätigen des Auslösers und schließlich das Betrachten des Bildes.

Eine M kauft man nicht, für eine M entscheidet man sich – für ein ganzes Leben.

Für mich ist die Fotografie mit der M wieder zu einem sehr emotionalen Vorgang geworden. Gleichzeitig ist die Leica M jeden Tag eine strenge Erzieherin, die das exakte Arbeiten voraussetzt – wo moderne DSLRs das Unvermögen des Fotografen kaschieren, zeigt es die Leica M mit aller Direktheit und Härte auf. Es stimmt wohl, was man unter Leica-Fotografen sagt: eine M kauft man nicht, für eine M entscheidet man sich – für ein ganzes Leben.

LiK