Am Wochenende hatte ich die einmalige Gelegenheit eine Leica M9 inkl. eines 35 mm 2.0 zu testen. Schon seit langer Zeit bin ich vom Mythos Leica angetan und hatte die gute M9 schon mehrmals kurz in meinen Händen. Für ein Fotografieren in aller Ruhe reichte die Zeit aber leider bisher noch nicht. Das sollte sich dieses Wochenende aber ändern. Die folgenden Zeilen sollen keinen technischen Test darstellen, sondern einfach einen Erfahrungsbericht repräsentieren, von einem „Fotoverrückten“ der sonst fast immer mit Canon (beruflich ab und an mit Nikon und Sony) gearbeitet hat und jetzt die ersten Gehversuche mit der Leica M9 wagt. Also bitte keine bösen Kommentare von langjährigen Leica-Besitzern – für konstruktive Kritik bin ich aber immer zu haben 🙂
Bevor wir aber beginnen, ein paar einführende Worte: Die Leica M9 ist eine sog. Messsucherkamera und unterscheidet sich daher vom Konzept der Spiegelreflexkameras ganz erheblich. Man blickt bei einer solchen Kamera eben nicht durch das Objektiv, sondern durch einen eigenen Messsucher. Das hat den großen Vorteil, dass der Spiegelkasten entfällt und die Kamera daher deutlich kleiner gebaut werden kann, hat aber auch den Nachteil, dass man nicht exakt das sieht, was man wirklich fotografiert (Versatz von Sucher und Objektiv). Die Leica M9 verfügt zudem über kein Autofokussystem, unterstützt den Fotografen beim Fokussieren aber über ein sog. Schnittbild. Wer mehr dazu wissen will, soll bitte einfach dem folgenden Link folgen: Link.
Zur Verarbeitungsqualität braucht man bei Leica nichts zu sagen…perfekt! Ein Genuss eine solche Kamera in den Händen zu halten. Das Objektiv und dessen bewegten Teile (Blendenwahlrad, Fokusring) laufen wie Butter. Davon können Canon und Nikon wirklich noch etwas lernen!
Anbei mal ein paar Bilder um einen Überblick über Größe und Ausführung zu bekommen (neben der kleinen Leica M9, meine Canon 1Ds III).
Das Experiment beginnt: Nachdem ich mich also mit der prinzipiellen Bedienung der Kamera vertraut gemacht habe, ging es raus in die freie Wildbahn. Freiburg zeigte sich von seiner schönsten Seite: Sonne, belebte Straßen und der Markt am Münster. Die größte Umstellung am Anfang war natürlich das Fokussieren – Leica macht es einem aber nicht allzu schwer, denn das Schnittbild tut seinen Dienst perfekt und von Bild zu Bild wurde ich schneller und präziser. Bei statischen (also sich nicht bewegenden) Objekten kann ein geübter Fotograf mit einer AF-Kamera durchaus mithalten. Schon etwas schwieriger wird es bei bewegten Objekten. Hier hilft aber der alte Trick von Henri Cartier-Bresson: einfach warten bis sich das Objekt in die Schärfenebene bewegt. Funktioniert einfach und sehr exakt.
Voraussetzung für ein angenehmes Fokussieren ist aber ausreichend Licht. Das Schnittbild ist bei starkem Gegenlicht oder sehr dunkler Umgebung sehr schwer zu interpretieren und das genaue Fokussieren daher fast unmöglich.
Die zweite große Umstellung ist das Belichtungssystem. Jede moderne Spiegelreflexkamera besitzt heute ein sog. Mehrfeldmesssystem, welches dafür sogt, dass die Belichtung der Szene bzw. des Objektes über einen möglichst großen Bereich gleichmäßig gemessen und gewichtet wird. Die Leica M9 macht dies nur mit einer mittenbetonten Messung. Bei „dominanten“ über das gesamte Bildfeld erstreckten Objekten funktioniert dies wunderbar, bei kleinen Objekten mit starkem Gegenlicht versagt diese Methode aber. Hier hilft natürlich eine entsprechende Belichtungskorrektur, welche bei der Leica durch drehen des Daumenrades angebracht werden kann.
Der nächste wichtige Punkt ist die Bauform der Kamera. Meine Canon 1Ds III liegt passgenau in der Hand, hat aber das Gewicht eines Ziegelsteins und geht bei langen Fototouren ganz schön in die Oberarme. Die Leica M9 hingegen ist klein, geradlinig gebaut und fühlt sich angenehm leicht an. Der Halt der M9 kann durch sog. Thumps-Up verbessert werden (der Daumen erhält dann eine entsprechende Stütze und die Kamera liegt etwas besser in der Hand). Insgesamt muss man sagen, dass die Leica M9 gut in der Hand liegt, aber nicht diesen Grip aufweist wie eine Canon 1Ds III. Für langes Fotografieren macht sich das geringe Gewicht der M9 aber angenehm bemerkbar.
Die kleine Bauform der Kamera hat auch zur folge, dass man als Fotograf kaum auffällt und ein unscheinbares Arbeiten möglich ist. Nicht umsonst gilt die Leica M-Serie als DIE Street-Kamera schlechthin.
Ein paar Worte sind auch zum Geräusch zu sagen, die eine Leica M9 von sich gibt: bssssstttttt! Das Auslösegeräusch ist angenehm leise – diskretes Fotografieren also ohne Probleme möglich. Wer mal hören will, wie eine M9 so klingt, soll bitte hier klicken: AUSLÖSEGERÄSUSCH ANHÖREN.
Weiter geht es hier mit ein paar Bilder die ich heute geschossen habe…M9 in Freiburg unterwegs 🙂
Die zwei oberen Bilder wurden am Markt beim Münster von Freiburg aufgenommen. Ich habe Sie bewusst in Schwarz-Weiss konvertiert um den Bildeindruck zu verstärken. Ich würde sagen, es sind typische Leica-Bilder: Szenen aus dem Leben!
Die Farbwiedergabe der Leica M9 ist im übrigen sehr neutral und zurückhaltend – keine Übersättigung! Anbei zwei Bilder in Farbe um dies beurteilen zu können.
Das erste Bild wurde im Herzen Freiburgs aufgenommen. Am Bild kann man sehr gut beobachten, dass die M9 den relativ großen Kontrastumfang zwischen Himmel und Wasser perfekt abfängt – die einzelnen Bildteile „saufen“ nicht ab. Am zweiten Bild lassen sich die neutrale Farbwiedergabe an den Bäumen und an der roten Fassade beobachten. Erahnen lässt sich auch das Auflösungsvermögen der M9 – bereits ohne Vergrößerung kann beobachtet werden, wie detailreich die Struktur am Mauerwerk wiedergegeben werden kann (Bild zum vergrößern anklicken!). Großen Anteil haben dabei natürlich auch die hervorragenden Leica-Objektive.
Was lässt sich also nach diesen ersten Erfahrungen mit der M9 sagen:
- Das Eingewöhnen in die Leica-Philosophie geht erstaunlich schnell (die Menüführung ist einfach und schlüssig, alles ist auf das Wesentliche beschränkt).
- Das Fokussieren geht bei guten Lichtverhältnissen leicht und angenehm von der Hand, wird bei schlechtem Licht oder Gegenlicht aber zum Geduldsspiel bzw. zur Lotterie (durch Wahl einer entsprechend kleinen Blende kann diesem Problem aber entgegen gesteuert werden.
- Die „Griffigkeit“ der Kamera ist nicht ganz so gut wie bei professionellen Spiegelreflexkameras (etwas besser soll sie bei der M9-P sein). Trotzdem liegt die Kamera erstklassig in der Hand.
- Die Bildqualität der Kamera ist erstklassig. Dafür gibt es wohl mehrere Gründe: (1) die hervorragende Optik von Leica, (2) der maßgeschneiderte Sensor von Kodak KAF, und (3) das einfache optische Design des Gesamtsystems.
- Als etwas schmalbrüstig ist ohne Zweifel das Display zu bezeichnen (wie in einigen Tests im Internet nachzulesen ist) – trotzdem finde ich, dass es für den normalen Gebrauch ausreichend ist. Probleme bekommt man, wenn man die Belichtung punktgenau Vorort beurteilen will/muss. Die Schärfe lässt sich trotz anderen Behauptungen, meiner Meinung nach ausreichend genau abschätzen.
- Das Arbeiten mit der M9 macht ohne jeden Zweifel Spaß…leicht, klein und unauffällig lassen sich Bilder machen, die mit einer großen Spiegelreflex nicht möglich wären. Der Weg zurück zum bewussten Fotografieren wird einem mit einer solchen Kamera leicht gemacht – man muss sich einfach Zeit lassen. So schön und angenehm es mit den „japanischen Plastik-Bombern“ von Canon und Nikon auch zu fotografieren ist, so oft wird der Prozess zu einem Schießen von Fotos: Masse über Klasse!
- Das 35 mm 2.0 das ich verwenden durfte ist ein erstklassiges Objektiv. Ohne Zweifel müsste man seinen Objektivpark aber um 1 bis 2 Objektive erweitern (ideal wäre wohl 35, 50, 75 mm).
- Sollte Leica zur Photokina oder 2013 eine M10 bringen müsste diese meiner Meinung nur eine kleine Änderungen aufweisen um zu meiner Traumkamera zu werden: besseres Display! Und über den Preis sprechen wir nicht 🙂
- Offen bleibt für mich wie sich die M9 im Studio verhalten würde. Völlig klar ist, dass die M9 keine typische Studiokamera ist, trotzdem lässt sie sich dort hervorragend einsetzen (einige Beispiele finden sich dazu im Netz – z.B. hier).
Somit bin ich auch schon fast am Ende…ein eindeutiges Ergebnis lässt sich für mich aus den zwei Tagen aber nicht ableiten. Eine unglaublich angenehme Kamera, die eine hervorragende Bildqualität bringt. Der Prozess des Fotografierens verändert sich beim Umstieg von Spiegelreflexkamera auf Messsucherkamera aber deutlich: langsamer, bewusster und reduzierter. Ein stärkerer Fokus auf das Wesentliche.
Ich hoffe der eine oder andere hat gefallen am Bericht gefunden. Ich habe bewusst auf technische Details verzichtet (davon findet man genug im Internet).
LiK