Meckern auf hohem Niveau – Das Leica Super-Elmar-M 1:3,4/21 mm ASPH.

Wie bereits letzte Woche geschrieben, hatte ich am Bodensee ausgiebig Zeit mein neues Objektiv Leica Super-Elmar-M 1:3,4/21 mm ASPH zu testen und es kennen zu lernen. Das Objektiv wird an meiner Leica M (Typ 240) betrieben (für jene Leser, welche diesen Blog nicht regelmäßig verfolgen). Ich möchte nachfolgend keinen Testbericht wiedergeben, sondern einfach meine sehr persönlichen Beobachtungen schildern.

Vorneweg sei erwähnt, dass die optische Qualität des Objektives hervorragend ist – in vielen Tests, Blogbeiträgen und Artikeln wird dies belegt und beschrieben. Es gibt also nichts zu meckern, außer man meckert auf extrem hohem Niveau. Was ich gerne tun möchte! Ich kenne den Weitwinkelbereich zwischen 17 und 24 mm relativ gut aus meiner Canon-Zeit und weiß daher gut wie man diesen Brennweitenbereich einsetzen kann und darf und auf was man besonders achten sollte.

Verzeichnung

Ich muss zugeben, dass durch meine bevorzugte Nutzung der Brennweitenbereiche von 35 mm und 50 mm, Bilder mit dem neuen 21er auf mich durchaus einen etwas seltsamen Eindruck machten. Ich fragte mich relativ schnell, warum denn plötzlich alles so flach wirkt, und wo denn die Leica-typische „3D-Darstellung“ bleibt. Ein Tele-Objektiv verdichtet den Raum und sorgt dafür, dass alles sehr plastisch wirkt; ein Weitwinkel hingegen lässt auch kurze Distanzen plötzlich unendlich wirken. Dadurch kommt es plötzlich zu einer Verzerrung des Bildes, welche sich primär auf die Tiefen-Wahrnehmung auswirkt. Durch die kurze Brennweite entstehen aber auch baulich bedingte Abbildungsfehler des optischen Systems, welche zu einer lokalen Veränderung des Abbildungsmaßstabes führen. Die Maßstabsänderung beruht auf einer Änderung der Vergrößerung mit zunehmendem Abstand des Bildpunktes von der optischen Achse. Diese Verzeichnung ist rotationssymetrisch um das sog. Verzeichnungszentrum. Soweit zur Theorie. Was bewirkt dies aber? Diese Abbildungsfehler erzeugen wahrnehmbare Verzerrungen im Bild. Parallele Linien laufen dadurch nicht mehr parallel, senkrechte Linien laufen nicht mehr senkrecht oder horizontale nicht mehr horizontal. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Effekt eindrucksvoll.

Bei Objektiven mit Verzeichnung wird ein Rechteck nicht maßstabsgetreu abgebildet. Quelle: Wikipedia.

Bei Objektiven mit Verzeichnung wird ein Rechteck nicht maßstabsgetreu abgebildet. Quelle: Wikipedia.

Warum sind nun nicht alle Objektive von dieser Verzeichnung betroffen? Sind sie leider doch! Je kleiner die Brennweite, desto deutlicher der Verzeichnungseffekt. Beim Fischaugenobjektiv ist dieser Effekt sogar gewünscht.

Die gute Nachricht ist nun, dass man die Verzeichnung relativ gut rechnerisch beseitigen kann. Kennt man das geometrische Modell des Objektives, so kann man die Verzeichnung leicht beseitigen. Das unten stehende Bild zeigt die Verzeichnung eines 20-mm-Objektivs bei einer Fokussierung auf eine Entfernung von einem Meter. Die Zahlen an den Isolinien geben den Betrag der Korrektur in Mikrometern an. Die Länge der Pfeile entspricht der fünfzehnfachen Länge der Korrektur. Die Koordinaten u und v sind die Bildkoordinaten bezogen auf die Bildmitte (Quelle: Wikipedia). Es zeigt sich also deutlich, dass die Verzerrung zum Rand hin deutlich ansteigt und Extremwerte in den Ecken erreicht.

Verzeichnung eines 20-mm-Objektivs. Quelle: Wikipedia.

Verzeichnung eines 20-mm-Objektivs. Quelle: Wikipedia.

Heute arbeiten Hersteller meist mit einer kamera-internen Reduktion der Verzeichnung. Dazu wird das Objektiv entsprechend codiert (gekennzeichnet) und damit von der Kamera automatisch identifiziert. Die hinterlegten Korrekturwerte können dann bereits beim Schreiben des Bildes angebracht werden. Bei vielen Herstellern erfolgt diese Korrektur übrigens auch bei RAW-Bilder (man sollte also den Begriff „Raw“ nicht unbedingt als Indiz dafür nehmen, dass es tatsächlich völlig unbearbeitete Bilder sind). Leica scheint hier übrigens eine andere Linie als die großen Hersteller aus Asien zu fahren. Speziell Canon, Nikon und besonders Sony korrigieren in der Kamera unglaublich viele Dinge – der Fotograf bekommt also ein deutlich verändertes/bearbeitetes RAW-File geliefert. Man sollte sich bei einer Leica-M also bewusst sein, dass man mit der baulich bedingten Verzeichnung leben muss, oder in der Nachbearbeitung selber Hand an legen muss. Als Beispiel sei auf das Bild unten verwiesen.

Verzeichnung bei einem 21 mm Objektiv ist nicht ungwöhnlich, besonders nicht wenn Objekte im oberen oder unteren Bereich positioniert werden.

Verzeichnung bei einem 21 mm Objektiv ist nicht ungewöhnlich. Besonders auffällig, wenn vertikal verlaufende Objekte im oberen oder unteren Bereich positioniert werden (z. B. Stelzen des Pier).

Man erkennt deutlich, dass man sehr vorsichtig damit umgehen sollte, vertikal oder horizontal verlaufende Objekte in den oberen oder unteren Bereich des Bildes zu setzen, besonders in die entsprechenden Ecken. Das Pier im Bild wird deutlich verzerrt, die senkrechten Stelzen kippen förmlich nach außen. Viele Bildbearbeitungsprogramme korrigieren diese Effekte bereits beim Importieren der Bilder, sodass auch hier der Fotograf bevormundet wird. Da ich mit Darktable arbeite, kann ich sehr individuell entscheiden, ob ich eine Korrektur anbringen will oder nicht (andere Software lässt dies natürlich auch zu, versteckt die Option nur manchmal etwas zu gut). Ein guter Weg Objektive zu korrigieren/kalibrieren ist beispielsweise die Generierung von Korrekturprofilen mit Hugin und die entsprechende Nutzung der Profile in Darktable (ich werde diesen Prozess in den nächsten Woche hier im Blog im Detail beschreiben).

Vignettierung

Neben der Verzeichnung ist sicher die Vignettierung der auffälligste Effekt, der mit abnehmender Brennweite immer stärker wird. Auch die Vignettierung kann bei bekanntem geometrischen Modell des Objektives gut korrigiert werden und wird dementsprechend von vielen Herstellern bereits beim Speichern der Bilder automatisch korrigiert – so auch von Leica. Bereits in den Raw-Daten ist die Vignettierung weitgehend beseitigt. Das Leica Super-Elmar-M 21 mm vignettiert im übrigen nur sehr minimal (dies kann man auch den entsprechenden Messdiagrammen entnehmen). Daher soll auf diesen Effekt hier nicht weiter eingegangen werden. Das Ausmaß der Vignette ist übrigens stark von der Blende abhängig. Je großer die Blende (kleine Blendenzahl) desto geringer die Vignettierung (siehe Abbildung, Quelle: Markus Schopfer, Wikipedia).

Blende

Die Vignettierung stellt heute bei den meisten Objektiven kein großes Problem dar. Zusätzlich ist die Vignettierung zu einem stilistischen Mittel geworden und wird oft sehr bewusst eingesetzt.

Gegenlicht

Für jemanden der gerne direkt zur Sonne ausgerichtet fotografiert, ist das Verhalten des jeweiligen Objektives bei Gegenlicht extrem wichtig. Die Linsen- und Glasqualität spielt besonders bei Gegenlicht eine wichtige Rolle. Verfärbungen, Schleier und Schlieren sind  das gewohnte Bild bei billig gefertigten Objektiven. Wie nicht anders zu erwarten spielt das Leica Super-Elmar 21 mm hier in der absoluten Top-Liga. Leica verbaut die besten Glassorten in ihren Objektiven, und so ist es nicht verwunderlich, dass Gegenlicht eine ganz wunderbare Lichtstimmung erzeugt. So soll es sein! Beobachten kann man dies im unten stehenden Bild.Unterhalb der Sonne kann ein leichter roter Schleier beobachtet werden (verstärkt wohl auch durch die Lichtbrechung/-verfärbung an der Wolke) – nicht weiter störend. Das Verhalten des Objektives insgesamt aber sensationell.

extremes Gegenlicht macht dem Super-Elmar-M 21 mm nichts aus.

extremes Gegenlicht macht dem Super-Elmar-M 21 mm nichts aus.

Chromatische Aberration

Was sich bei dieser Gegenlichtaufnahme aber relativ gut beobachten lässt ist das Auftreten von Chromatischer Aberration. Der Brechungsindex von Glas hängt von der Wellenlänge des Lichtes ab. Dies wird Dispersion genannt und verursacht die sog. chromatische Aberration. Im Bild sichtbar wird dies durch Farbsäume, also Verfärbungen an Kanten und Schärfenebenen. Meist entstehen rote oder grüne Farbsäume vor oder hinter der eigentlichen Schärfenebene. Im oberen Bild sieht man diesen Effekt im Bereich der weiß schimmernden Wasserfläche (vordere Bildmitte). Chromatische Aberration ist ein Effekt von dem die Leica M stärke betroffen ist als Spiegelreflexkameras, da das Auflagemaß (Abstand Sensor zu Befestigung des Objektiv) geringer ist und die Lichtstrahlen daher wesentlich flacher auf den Sensor treffen. Leica hat diesem Umstand bei der M (Typ 240) durch eigene Mikrolinsenelemente, welche über dem eigentlichen Sensor sitzen, speziell geformt wurden und dadurch eine entsprechende Lichtbrechung unterstützen, Rechnung getragen. Trotzdem hat besonders die verwendete Brennweite einen ganz erheblichen Einfluss auf diesen die Chromatische Aberration. Chromatische Aberration kann mit heutiger Bildverarbeitungssoftware aber relativ gut beseitigt werden. Ein Absenken des Rotkanals bzw. des Rotanteils im Bild reicht meist schon aus.

Das Problem mit dem Sucher

Die Leica M und ihr optischer Sucher ist nun mal nur für Brennweiten bis zu 28 mm ausgelegt. Bei kürzeren Brennweiten muss ein externer Sucher oder der Live View (LV) verwendet werden. Klappt auch alles wunderbar! Bei der Verwendung des LV ergab sich für mich aber ein eindeutiges Aha-Erlebnis. Die Leica M erlaubt nämlich einen eigenen Belichtungsmodus für den LV zu konfigurieren, der bei aktiviertem LV genutzt wird. Arbeitet man beispielsweise immer mit der mittenbetonten Belichtungsmessung, wählt in der Konfiguration für den LV aber die Mehrfeldmessung, so kann man zwischen den zwei Modi durch aktivieren des LV blitzschnell umschalten. Gerade mit einem Weitwinkel macht oft eine Mehrfeldmessung mehr Sinn als eine mittenbetonte Messung. Ein lästiges Umstellen des Belichtungsmodus entfällt also, wenn man die Lösung mit dem LV nutzt. Genial und einfach!

Und was bleibt am Ende?

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass das Fotografieren mit einem Weitwinkel Übung braucht. Wie jede andere Brennweite, muss auch der Weitwinkel besonnen und gekonnt eingesetzt werden. Auf keinen Fall sollte es zu einer inflationären Nutzung dieser Brennweite kommen: weniger ist oft mehr. Ab und an ein Bild mit einem Weitwinkel lockert eine Präsentation auf und beeindrucken den Betrachter. Zu viele Weitwinkelbilder stumpfen den Betrachter aber schnell ab. Spannung lässt sich durch eine bewusste Nutzung des Vordergrundes erzeugen; auch hier empfiehlt sich aber ein vorsichtiges Herantasten und eine sehr gezielte Nutzung dieser Strategie.

Das Leica Super-Elmar-M 1:3,4/21 mm ASPH. ist aber definitiv eine Bereicherung und ein durchgehend beeindruckendes Objektiv. Nur sehr wenige Lichtsituationen bringen es ein wenig aus dem Tritt (z. B. extremes Licht erzeugt leichte chromatische Aberration) – der Vergleich mit anderen Objektiven anderer Hersteller dieser Brennweite zeigt aber deutlich wie gut und ausgereift das optische Konzept und die entsprechende Konstruktion ist. Leica hat sich mit diesem Objektiv viel Zeit gelassen – das Ergebnis kann sich sehen lassen. Hut ab!

Ich hoffe diese Zeilen haben euch Spaß gemacht und ihr habt genau so viel gelernt wie ich dabei.

LiK

Ein Gedanke zu „Meckern auf hohem Niveau – Das Leica Super-Elmar-M 1:3,4/21 mm ASPH.

  1. Rob

    You should be my lucky star.
    Was das jetzt soll?
    Nun es geht eigentlich um das letzte Wort: star.
    Landschaftsfotografen sind ein seltsames Völkchen.
    Sie lieben es wenn ihre Sonne wie ein richtiger Stern aussieht.
    Also entgegen der Wirklichkeit schön mit einzelnen Strahlen.
    Und wie dieser Stern aussieht ist sehr wichtig.
    Oft wird nur ein Objektiv angeschafft, dass das wirklich gut kann.
    Ich muß selbst gestehen es sieht toll aus.
    Acht mal beim nächsten Gegenlichtbild darauf und gib‘ uns bescheid.
    Das letzte Bild deutet an, dass das 21er in dieser Disziplin wahrscheinlich glänzen wird.
    Und wie sieht es mit der Schärfe an den Rändern aus?
    Ich schätze mal bei f/8 ist alles schön scharf, oder?
    Das ist nicht so selbstverständlich, manche Objektive werden an den Rändern nie richtig scharf.
    Deshalb frage ich nach.
    Wahrscheinlich ist das Super-Elmar ist auch hier Klassen-Primus.
    Wie könnte es anders sein.

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