I. Einleitung
Ich habe euch versprochen, dass es in den nächsten Wochen wieder mehr zu lesen und schauen geben wird. Beginnen möchte ich mit einem neuen Projekt, welches ganz unter dem Motto “Themen- und Bildgegenüberstellung” steht. Die Grundidee liegt darin, dass zwei Fotografen an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, welches aber lediglich durch einen Titel vorgegeben ist. Den Start der Serie bildet das Thema GRÜN. Jeder der zwei Fotografen hatte mehrere Wochen Zeit um das Thema für sich zu erarbeiten, Ideen zu entwickeln und eben Fotos zu machen. Jeder der zwei wählte dann eines seiner geschossenen Bilder aus, welches seiner Meinung nach das vorgegebene Thema am besten erfüllt. Das eigene Bild arbeitet jeder nach seinen Wünschen aus und definiert es als sein finales Bild zum Thema. Die zwei „nicht-aufbereiteten“ Bilder (also die rohen Kamera-Files) werden den jeweils anderen Fotografen übergeben und dieser arbeitet es nach seinen Wünschen auf. Das ganze führt also zu zwei Rohdaten-Files, vier aufbereiteten Bildern und jede Menge Stoff über den es sich zu schreiben und diskutieren lohnt.
Lasst uns also beginnen! Die Fotografen sind zum einen Rob, ein sehr lieber Freund und mittlerweile Weggefährte seit über 17 Jahren (ja da staunt man nicht schlecht, wie lang man sich kennt) und ich. Es treffen also durchaus zwei sehr unterschiedliche Philosophien aufeinander. Geben wir dem Projekt einen Namen und nennen wir es LiK vs. Rob (ich weiss…klingt jetzt sehr technisch, aber egal…) – ich will aber gleich festhalten, dass es hier nicht um einen Wettbewerb geht, sondern nur darum Bilder und Themen unterschiedlich zu sehen, umzusetzen und zu interpretieren.
II. Rohdaten
Also erst mal die beiden Rodatenbilder (wurden in Bibble ohne jeglicher Bearbeitung entwickelt). Das erste ist mein (LiK) Rohdatenfile, das zweite das Rohdatenfile von Rob. Aufnahmedaten bekommt ihr, wenn ihr die Maus über das Bild bewegt.
III. LiK
(a) Fremdbild
Als ich das Bild von Rob als Rohdatenfile das erste mal betrachtete, dachte ich mir: Oha, da hat er mir aber was vorgesetzt! Ich war schlicht hin und weg und wusste eigentlich nicht, was man bei dem Bild noch verbessern konnte. Dementsprechend betrachtete ich das Bild jeden Tag mehrmals und ließ es auf mich wirken. Das Spiel wurde eine ganze Woche vollführt, bis ich mich entschloss dem Bild seinen finalen Touch zu geben. Ich kannte die Aufbereitung von Rob nicht und so entschloss ich mich meinen ganz eigenen Stil einzubringen. Ich drehte und beschnitt…drehte weiter und beschnitt weiter. Machte es wieder größer und kleiner…herausgekommen ist ein drastisch beschnittenes Bild, das den Betrachter nicht alles zeigen soll. Man soll zum denken angeregt werden und die abstrakten Dinge zu einem Ganzen im Kopf zusammenführen.
Das Resultat gefällt mir sehr gut. Ich hätte aber (mit meiner Bearbeitung im Kopf) bei der Aufnahme eine wesentlich kleinere Blende gewählt (9 oder gar 11) um eine größere Schärfentiefe zu erreichen. Hier im Web fällt dies nicht so ins Gewicht, aber mit dieser Bearbeitung wäre das Bild nicht mehr „ausarbeitbar“, da das zweite dahinter liegende Blatt einfach schon zu unscharf ist.
Die Farben sind meiner Meinung nach das große Kapital des Bildes…grandioses Grün, dass durch den Schatten des Blattes förmlich leuchtet und in einem sehr hohen Kontrastverhältnis gesetzt wird. Für mich (mit oder ohne Bearbeitung) ein kleines Meisterwerk zu dem ich Rob gratulieren möchte.
(b) Eigenbild
Die Grundidee war die Farbe Grün möglichst unkonventionell in Szene zu setzen. Auf meinen Fotospaziergängen durch München boten sich natürlich jede Menge Gelegenheiten grüne Gegenstände zu fotografieren. Der Frühling breitet sich mit Riesenschritten aus und die Farbe Grün dominiert. Aber so einfach wollte ich es mir dann doch nicht machen. Im Olympiastadion sprangen mir die regelmäßig angeordneten Sitzreihen ins Auge. Als ein Liebhaber von Symmetrien und Strukturen bot sich dieses Subjekt natürlich an; dass die Sitze in Grün gefertigt waren machte die Sache natürlich sehr passend für das aktuelle Thema hier. Leider hatte ich “nur” meine kleine G12 dabei und die Brennweite reichte bei weitem nicht um den Ausschnitt den ich im Kopf hatte zu realisieren. Ich musste mich also darauf verlassen, dass die 10 MP reichten um anschließend einen vernünftigen Crop zu realisieren.
Die Bearbeitung war eigentlich denkbar einfach: Ausschnitt wählen, Kontraste etwas erhöhen und das Bild leicht drehen. Das war auch schon.
Für mich stellt das Bild einen interessanten Umgang mit dem Thema Grün dar. Nur wenige Menschen verbinden Grün mit Stühlen. Stühle im Stadion sind dann schon wieder ein so großer Kontrast in der Thematik, dass es mir gefällt. Finde die Umsetzung nicht herausragend und ich denke (fast) jeder hätte das Bild genauso gemacht…trotzdem habe ich das Bild in den letzten Wochen zu lieben gelernt.
IV. Rob
(a) Fremdbild
Nichts als grüne Stühle. Ein Meer an Sitzen. Ein rot-weißes Absperrband lockert alles ein wenig auf. Das Bild wurde im Bildformat 4:3 (Querformat) gemacht.
Die Stühle bilden Symmetrien. In der nächsten Reihe wiederholt sich das Ganze – das ist der Rhythmus. Im linken Teil des Bildes ist dies gut sichtbar, in der anderen Hälfte des Bildes wird dieser Rhythmus und die Symmetrie immer undeutlicher. Im oberen Drittel des rechten Bildteils tritt fast das gleiche Muster immer wieder auf. Also habe ich versucht zu reduzieren und so die Bildaussage zu verstärken. Der Zuschnitt wäre demnach Hochformat 2:3, etwas vom linken Rand abgesetzt, damit das rot-weiße Band wenigstens etwas zu sehen ist. Was schade ist, da Rot ja die Komplementärfarbe von Grün ist und herrlich zu den Stühlen passt. Es gibt hier bestimmt noch mehrere Möglichkeiten die stimmig sind, ich habe mich eben für diese entschieden.
RAW-Bearbeitung erfolgt in Bibble 5 Pro. Etwas nach links drehen, so erzeugen die Reihen etwas mehr Tiefe. Beschnitt Hochformat. Saturation und Vibrance um ein Drittel gesteigert, Contrast leicht abgesenkt. Die Farbtemperatur auch etwas gesenkt, damit das Ganze etwas kühler, grüner wird. Vignettierung etwas gesteigert weil es gefällt. Das wars!
Eine Steigerung der Qualität des Bildes wäre durch eine Reduktion der Wiederholungen möglich – also Symmetrie und Rhythmus deutlicher ausgearbeitet. Und es einmal auf Querformat, einmal auf Hochformat abgestimmt hätte. Die Stühle funktionieren sicher in beiden Formaten gleich gut. Etwas das leicht zu einer Sisyphusarbeit ausarten kann, auf jeden Fall viel Zeit und Geduld erfordert. Ich muss aber sagen die kleinen Disharmonien haben ihren Reiz. Es ist ein gutes Bild mit guter Bearbeitung geworden, oder?
(b) Eigenbild
Meine Idee war es, das Natürliche etwas abstrakter abzubilden. Konkret waren das Blätter. Form und Schatten verschmelzen, der Hintergrund hebt sich ab. Grünschattierungen bestimmen das Bild von der Farbe her. Es gibt keine Stelle auf den der Fokus primär gesetzt wurde. Durch die Bewegung der Blätter ist viel mehr Zufall was scharf abgebildet wird, es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur die Struktur und die Schatten der Blätter einzufangen. Dadurch hat man ein Spiel zwischen Unschärfe/Schärfe und Struktur, die das Ganze interessanter macht. Das natürliche Gegenlicht sorgt für erleuchtete Blätter auf schwarzem Hintergrund.
Die Umsetzung war leicht. Man stellt sich unter einen Baum und fotografiert.
Wichtig war nur, dass die Blätter von hinten beleuchtet wurden. Es ist erstaunlich wie schnell und wie viele interessante Details man bei relativ wenigen Bäumen findet. Benutzt wurde ein Teleobjektiv.
Schon während des Shootings war klar in welche Richtung die Bearbeitung gehen würde. Durch das Ausleuchten von hinten war die Farbe der Blätter ins Gelbe verschoben. Durch absenken der Farbtemperatur und etwas Farbsättigung konnte man leicht wieder ein saftiges Grün erzeugen.
V. Schlussbemerkung
Ich denke es gibt nicht mehr allzu viel zu sagen. Wir werden das Projekt definitiv wiederholen und in 2-3 Monaten wohl den nächsten Vergleich präsentieren. Thematisch müssen wir uns wohl etwas weiter ins „Ungewisse“ bewegen um mehr Spielraum zu bekommen. Das Thema GRÜN war meiner Meinung nach zu „beschreibend“. Ich für meinen Teil habe jedenfalls jede Menge gelernt und ich muss sagen es hat viel Spaß gemacht – vor allem der Zwang sich mit einem anderen Bild intensiv auseinander zu setzen, bis hin zur Bearbeitung eines fremden Bildes. Wir (Rob und ich) würden uns natürlich über Kommentare sehr freuen…ach ja und geht raus und fotografiert GRÜN!
Bis zum nächsten Vergleich,
LiK & Rob